Mörgeli-Akt
«Es ist nicht fair»
Von Christoph Mörgeli
Die grosse Koalition in Deutschland beweist, dass gross nicht zwangsläufig grossartig sein muss.
Der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück, ein Sozialdemokrat und Herr über 1,5 Billionen Euro Schulden (zirka 2'400'000'000'000 Franken), giftelt Richtung Schweiz. Was ihm missfällt: unser Fiskalsystem, der kantonale Steuerwettbewerb, die Sogwirkung für internationale Unternehmen – der Erfolg. Was er will: den deutschen Misserfolg verbindlich erklären. Denn er hält unsere Steuerpraxis für unfair: «Es werden ganz gezielt über diese Möglichkeiten Konzerne aus Deutschland abgezogen, auch mit den Arbeitsplätzen, die damit zu tun haben.» Steinbrücks Fazit: «Es ist nicht fair.»
Man kann das deutsche Gequengel schon nicht mehr hören. Was heisst schon «unfair»? War es «unfair», dass Italien an der Fussball-WM die Deutschen vom Platz geputzt hat? Oder haben sie einfach besser gespielt? Ist es «unfair», wenn sich der Kunde im Sortiment das günstigste Angebot aussucht? Ist es dagegen fair, wenn der Staat die Preise, das Angebot, die Steuern diktiert? Dann müsste Nordkorea bald den Fairness-Preis erhalten.
Dass gross nicht zwangsläufig grossartig sein muss, beweist die grosse Koalition aus SPD und CDU in Deutschland. Besonders aufschlussreich war die erste Übereinkunft der beiden Parteien. Im Wahlkampf befürwortete die CDU eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um zwei Prozent. Die Sozialdemokraten lehnten eine höhere Konsumsteuer kategorisch ab, da sie vor allem die unteren Einkommen treffe. Zwischen null und zwei liegt die Eins – könnte man meinen. Nicht ganz, wenn die politische Mathematik zum Zuge kommt: SPD und CDU einigten sich auf drei Prozent, die grösste Steuererhöhung seit Bestehen der Bundesrepublik. War das fair gegenüber den Wählerinnen und Wählern? In der Schweiz bestimmt die Bevölkerung die Höhe der Steuern. Nicht einmal eine läppische Erhöhung von 0,1 Mehrwertsteuerprozent geht ohne Segen der Urne durch. Was der deutsche Finanzminister für unfair hält, ist in Wahrheit das Ergebnis eines demokratischen Aktes.
Das vom Armenhaus zum Tigerstaat mutierte Irland hat einen Unternehmens-Steuersatz von 12,5 Prozent. Weniger als die Kantone Obwalden (13,1 Prozent) oder Schwyz (15,6 Prozent). Auch Deutschland will nun die Unternehmen entlasten, wenn auch nur geringfügig. Die sonst so moderate Neue Zürcher Zeitung kanzelte die deutsche Steuerreform als «ausgewogen bis zur Wirkungslosigkeit» ab. Mag sein, dass der Kommentar unfair war – aber er trifft die Sache: selber schuld, Deutschland.
Von Christoph Mörgeli
Die grosse Koalition in Deutschland beweist, dass gross nicht zwangsläufig grossartig sein muss.
Der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück, ein Sozialdemokrat und Herr über 1,5 Billionen Euro Schulden (zirka 2'400'000'000'000 Franken), giftelt Richtung Schweiz. Was ihm missfällt: unser Fiskalsystem, der kantonale Steuerwettbewerb, die Sogwirkung für internationale Unternehmen – der Erfolg. Was er will: den deutschen Misserfolg verbindlich erklären. Denn er hält unsere Steuerpraxis für unfair: «Es werden ganz gezielt über diese Möglichkeiten Konzerne aus Deutschland abgezogen, auch mit den Arbeitsplätzen, die damit zu tun haben.» Steinbrücks Fazit: «Es ist nicht fair.»
Man kann das deutsche Gequengel schon nicht mehr hören. Was heisst schon «unfair»? War es «unfair», dass Italien an der Fussball-WM die Deutschen vom Platz geputzt hat? Oder haben sie einfach besser gespielt? Ist es «unfair», wenn sich der Kunde im Sortiment das günstigste Angebot aussucht? Ist es dagegen fair, wenn der Staat die Preise, das Angebot, die Steuern diktiert? Dann müsste Nordkorea bald den Fairness-Preis erhalten.
Dass gross nicht zwangsläufig grossartig sein muss, beweist die grosse Koalition aus SPD und CDU in Deutschland. Besonders aufschlussreich war die erste Übereinkunft der beiden Parteien. Im Wahlkampf befürwortete die CDU eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um zwei Prozent. Die Sozialdemokraten lehnten eine höhere Konsumsteuer kategorisch ab, da sie vor allem die unteren Einkommen treffe. Zwischen null und zwei liegt die Eins – könnte man meinen. Nicht ganz, wenn die politische Mathematik zum Zuge kommt: SPD und CDU einigten sich auf drei Prozent, die grösste Steuererhöhung seit Bestehen der Bundesrepublik. War das fair gegenüber den Wählerinnen und Wählern? In der Schweiz bestimmt die Bevölkerung die Höhe der Steuern. Nicht einmal eine läppische Erhöhung von 0,1 Mehrwertsteuerprozent geht ohne Segen der Urne durch. Was der deutsche Finanzminister für unfair hält, ist in Wahrheit das Ergebnis eines demokratischen Aktes.
Das vom Armenhaus zum Tigerstaat mutierte Irland hat einen Unternehmens-Steuersatz von 12,5 Prozent. Weniger als die Kantone Obwalden (13,1 Prozent) oder Schwyz (15,6 Prozent). Auch Deutschland will nun die Unternehmen entlasten, wenn auch nur geringfügig. Die sonst so moderate Neue Zürcher Zeitung kanzelte die deutsche Steuerreform als «ausgewogen bis zur Wirkungslosigkeit» ab. Mag sein, dass der Kommentar unfair war – aber er trifft die Sache: selber schuld, Deutschland.
wasserzeichen - 29. Mär, 13:39